Vom „rotweinigen“ Beginn 1994 zur naturnahen Wein-Avantgarde

Es gehörte schon eine große Portion Individualismus und noch mehr Selbstbewusstsein dazu, sich dem hochmodernen und technisierten Zeitgeist der frühen 90er-Jahre zu widersetzen und sich auf das zu besinnen, was die Region von sich aus imstande ist herzugeben. Sieben Winzer aus Gols wollten damals genau das: Herkunftstypizität! Und somit weg vom kräftigen Holzeinsatz und schweren Weinen mit uniformiertem Geschmack. So entstand Pannobile als revolutionäre Idee dieser Sieben. Neben Gernot Heinrich waren das Paul Achs, Matthias Beck, Hans Gsellmann sowie Matthias Leitner, Hans Nittnaus und Helmuth Renner. 1998 stieß Gerhard Pittnauer zur Gruppe, 2004 Claus Preisinger. In insgesamt fünf der neun Betriebe ist bereits die nächste Generation an Bord: Judith Beck, Stefanie, Susanne und Georg Renner, Andreas Gsellmann sowie Lydia, Martin und Andreas Nittnaus bzw. Gernot Leitner.

Die Charaktere der Winzerinnen und Winzer sind so unterschiedlich wie die Lagen und Böden der Region: Am Nordrand des Neusiedler Sees treffen bekanntlich unterschiedliche klimatische Zonen aufeinander – hier ist der Boden geprägt vom Kiesel. Im Leithagebirge wiederum ist es der Kalk, am Wagram in Gols sind es an den Hanglagen die sandigen Lehmböden mit Kalkeinschließungen. Sensibel arbeiten die Winzer diese Feinheiten heraus. „Wein war für uns immer auch ein Ausdruck von Haltung. Wir haben eine Verantwortung gegenüber unserer Region, den Böden und der Natur“, sagte Judith Beck (re. im Bild) beim Fest im Wiener Restaurant Tian.

„Wir wollen uns klar absetzen von standardisierten Industrieweinen. Die Marke Pannobile ist letzten Endes auch ein Versprechen für den Konsumenten – ein Versprechen für einen beseelten Wein mit Herkunft“.

Gerhard Pittnauer, kämpferisch!

Auch wenn sich in den vergangenen 30 Jahren vieles verändert hat, eines ist noch immer gleich geblieben: Einmal im Jahr bringt jeder der neun Winzer zumindest einen Wein auf den Markt, der die Geschichte der Region am besten erzählt und genau deshalb so heißt wie die Gruppe selbst – also Pannobile. Das Besondere: In einer Verkostung benötigt jeder dieser Weine die einstimmige Zustimmung der gesamten Gruppe. Ein Rotwein darf nur aus den besten Trauben von Zweigelt, Blaufränkisch und St. Laurent vinifiziert sein. Beim Weißen sind es alle heimischen Sorten wie Chardonnay, Weißburgunder, Neuburger, Grauburgunder, Grüner Veltliner oder Welschriesling. Diese Weine stehen als Synonym für Herkunft und zählen heute auch aufgrund ihrer Lagerfähigkeit zu begehrten Sammlerstücken.

Riesling (!) bis Orange Wein – sie haben alles!

Als ein Großteil der Gruppe in den Jahren 2006 und 2007 die Bewirtschaftung der Weingärten auf biologisch-dynamische Richtlinien umstellte, war man seiner Zeit erneut weit voraus. Heute werden acht Pannobile-Betriebe biodynamisch geführt, der neunte ist Bio zertifiziert. Die Bandbreite der Gruppe zeigten dann die – teils humorvoll und kritisch („Blaufränkisch ohne Herkunft?“) – Verkost-Flights. Die Langelebigkeit demonstrierte nicht nur ein Wein aus 1994 von Hellmuth Renner (Kostnotiz hier). Auf die reifen zwei Durchgänge ließ man im Tian dann erfrischende Schaumweine folgen. Sie standen teilweise schon für die neue, biodynamische und minimal-interventionelle Stilistik in Weingarten und Keller. Diesen teils Maische-vergorenen und wenig geschwefelten Weinen widmete sich ein eigener Durchgang. Ihn haben unsere Kollegen hier gut dokumentiert.Mit ihnen sorgt das Golser Kollektiv heute international für Furore. Man denke an „waiting for tom“ (RennerSistas), die Freyheit-Weine (Gernot Heinrich) oder Pittnauers „Mash Pitt“.

Und natürlich durfte auch der Star der Zukunft, den man aber längst schon heute schätzt, nicht fehlen. Blaufränkisch in allen Facetten, auch einer fast Lambrusco-artigen Leichtigkeit und Frucht wie Claus Preisingers „Bonsai“ – über diesen interessanten Sortentypus steht hier alles.

Dass die Gruppe nach wie vor zu überraschen versteht, zeigten für den FIATA vor allem die Weißweine. Gernot Leitner (re. am Bild beim Einschenken) ließ den Riesling „Shake Me“ 2022 vom Stapel, eine Sorte, die sein Vater Matthias einst nach Gols holte. Und dann war dann noch der Weißburgunder „Ried Salzberg“, vielleicht einer der besten Sorten-Vertreter dieses Landes!

Seine Premiere erlebte auch der pannonische Sortenklassiker Furmint, den das Weingut Nittnaus am Joiser Tannenberg, auf Basis ungarischer Klone aus dem berühmten Villány, ausgepflanzt hat. Wie der Blaufränkisch ist auch diese Sorte – zumal am Schiefer des Leithabergs – ein „Klima-Gewinner“. Vor allem aber schmeckt er grandios, wie man hier nachlesen kann. Alles Gute zum Geburtstag, ihr Pannobilisten!